In der Siegburger Straße 24
wohnte einst ein Steuereinnehmer, der morgens lange schlief. Ihm gegenüber
lebte ein fleißiger Schneider, der als Zubrot zu seinem kargen Lohn Singvogel züchtete,
die er in ihren Käfigen vor seinem Fenster präsentierte. Den Steuereinnehmer
störte der fröhliche Gesang in seinem Morgenschlaf. Trotz aller Zornesausbrüche
und Drohungen konnte er den Schneider nicht bewegen, auf seine gefederten Sänger
zu verzichten. Selbst vor Gericht unterlag der Steuereinnehmer, da der Schneider
beweisen konnte, dass auch der gestrenge Richter vor seinem Fenster Singvögel
hielt. Fortan schikanierte der Steuereinnehmer den Schneider wo er nur konnte.
Eines
Tages setzte der Steuereinnehmer einen Geißbock in einen großen Vogelkorb und
hing ihn straßenwärts an sein Fenster. Da der Bock schlecht gefüttert wurde,
tönte sein Meckern über die ganze Straße. Die Leute spotteten über den
Schneider und überall wo er sich sehen ließ, scholl ihm ein lautes "Schneidermeckmeckmeck"
entgegen.
Während
dieser Zeit entdeckten Gertrud, die Tochter des Schneiders, und Fritz, der Sohn
des Steuereinnehmers, ihre Zuneigung. Heimlich trafen sich die Beiden, da ihre Väter
nichts von der Liebe bemerken sollten.
Nach
14 Tagen verendete der Geißbock und der Schneider atmete erleichtert auf. Doch
seine Freude währte nicht lange. Der Steuereinnehmer hatte einen steinernen Bock
anfertigen und über seiner Haustur anbringen lassen.
Da
merkte der Schneider, dass er den kürzeren gezogen hatte. Er versprach den
Verzicht auf all seine gefiederten Freunde, wenn sein Gegenüber nur das grässliche
Bockbild wieder entfernen ließe. Doch alles Bitten war vergebens und mehr als
je zuvor ergossen sich Spott und Hohn über den Schneidermeister. Eines Tages
verließ er mit seiner Familie die Siegburger Straße und Deutz.
Viele
Jahre später kehrte die Tochter des Schneiders zurück, ersteigerte das Haus
des inzwischen verstorbenen Steuereinnehmers und heiratete ihre Jugendliebe.
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